Via de la Plata

 

Zu Mittag bin ich in Sevilla gelandet, nach einer kurzen Besichtigungstour fuhr ich mit dem Bus weiter nach Zafra. Hier begann am nächsten Tag meine Wanderung. Die ersten 13 km hatte ich schnell geschafft, dann machte ich einen fatalen Fehler. Ich verschaute mich im Wanderführer und dachte, die nächste Etappe würde etwa 18 km lang sein. Kein Problem und so startete ich voller Elan.

 

Bis an die Grenze

 Die Wegpfeile gaben mir genügend Sicherheit, deshalb blätterte ich nicht mehr in meinem Wanderführer weiter. Der Weg verlief durch riesige Weinfelder und wenn es mir danach war aß ich die herrlichen Weintrauben. Langsam spürte ich die immer extremer werdende Hitze. Außer den Weinreben gab es nur ein paar Olivenbäume. Und die einzige Abwechslung auf dem Weg waren am Anfang Traktoren, die voll befüllt waren mit Weintrauben. Es war Erntezeit. Nach etwa 4 Stunden schaute ich in meinem Wanderführer nach, wo denn mein Ziel Ort sei. Da bemerkte ich meinen Irrtum. Ich hatte die falsche Seite aufgeschlagen, diese endlos lange Etappe war 34,8 km lang und führte ohne einen Ort mich quer durch diese Weinfelder. Zur starken Hitze kam noch dazu, dass ich fast kein Wasser mehr hatte. Nun teilte ich das restliche Wasser ganz genau ein. Um 16 Uhr war das Wasser verbraucht. Ich legte mich unter eine Weinstrauch und ruhte mich fast eine Stunde aus. Meine Zunge fühlte sich rauh und ausgetrocknet an. Am liebsten wollte ich sterben. Doch ich konnte doch nicht schon am 1. Tag verdursten, also nahm ich all meine Kraft zusammen und ging weiter. Nach meiner Berechnung dürfte ich noch etwa 2 Stunden brauchen. Und da kam meine Rettung.; ein altes Auto fuhr mir entgegen. Ich hielt es auf und sagte nur „aqua por favor“. Der Mann gab mir eine Flasche Wasser. Danach ging es mir wieder besser und um 18 Uhr kam ich in Torremejia an. Dort trank ich 4 Liter Wasser aus dem Brunnen und ging in die wunderschöne Herberge. Schon am ersten Tag meine Grenze erreicht, aber es war mir eine Lehre und seit dem nahm ich immer zwischen 3 und 4 Liter Wasser mit. Egal wie schwer der Rucksack wurde. 48 km an einem Tag, kein Wasser und 42 Grad, das war ein guter Einstieg.

 

der ganz normale Alltag

Von nun an gab es außer ein paar Blasen kein Problem mehr. Die Wege gingen hauptsächlich auf schönen Feldwegen durch Südspanien. Wegen der großen Hitze startete ich bereits um 7 Uhr. Es war zwar stockfinster, aber mit einer Stirnlampe fand ich fast immer den richtigen Weg. Um 8.30 ging erst die Sonne auf und spätestens um 11 Uhr wurde es so richtig heiß. Ich versuchte zwischen 14 und 15 Uhr meinen Zielort zu erreichen, sonst wäre es einfach zu anstrengend gewesen. Die meisten Herbergen waren eher einfach und kosteten um die 5 €. In jeder Herberge bekam ich einen Stempel in meinen Pilgerausweis, ohne diesen Ausweis hätte ich keinen Anspruch auf die Pilgerherbergen. Nach der Ankunft brauchte ich als erstes mal eine Dusche, dann wusch ich meine Wäsche und danach kamen meine Füße dran. Auf meinem Programm standen einige Dehnübungen, die Füße mit Hirschtalksalbe einschmieren und die Waden mit Voltaren eincremen. Noch die Blasen versorgen und eine Ruhepause einlegen. Ich schrieb jeden Tag die wichtigsten Ereignisse in mein Reisetagebuch. Da jeder Tag sehr intensiv ist, vergisst man so schnell, wo man gestern war usw. Genau deshalb ist dieses Tagebuch so wichtig. Auf der Via de la Plata sind um diese Jahreszeit sehr wenige unterwegs, so war es am Weg immer sehr einsam. Auch in den Herbergen war immer genügend Platz. Ich freundete mich mit einem Spanier und einem Deutschen an, so hatten wir am Abend immer Zeit für Gespräche und ein paar Bier.

 

summ summ, muh und wau wau

Ich ging im Durchschnitt 35 km am Tag, so wie es sich gerade ergab. Die nervigsten Tiere waren die Fliegen, die am liebsten in meine Nase, Ohren und Mund flogen, sonst sah ich viele schwarze riesige Kühe mit großen Hörnern, von denen hatte ich einen ziemlichen Respekt. Die einzige Angst hatte ich von den frei herumlaufenden Hunden. Denn es gab hier einige wirklich wilde Hunde, die mich nicht nur anknurrten, sondern auch mit fletschenden Zähnen auf mich zuliefen. So hatte ich meistens einen Stock dabei und bei Gefahr schrie ich recht laut „ go away“. Obwohl die Hunde sicher auch kein Englisch verstanden, ließen sie mich danach in Ruhe.

 

Gigantisch

Am schönsten waren die Sonnenaufgänge, das rötliche und gelbe Licht war gigantisch. Ich genoss die Einsamkeit aber auch die Bekanntschaften. Später traf ich einige Däninnen, noch ein spanisches Paar und ein paar Franzosen. Die Einheimischen waren hier besonders nett, sie schenkten mir oft Weintrauben, Äpfel oder Nüsse. Englisch hilft dir in Spanien fast gar nicht weiter, da hilft nur mehr Zeichensprache. Und ein paar spanische Wörter lernte ich während meiner Reise, so konnte ich mich verständigen.

Nach den weiten einsamen Wegen kam ich langsam nach Galacien, dort ging ich durch grüne Wiesen, Wälder mit Riesenfarnen und auch das Wetter wurde etwas kühler (30 Grad). Es hatte an keinen einzigen Tag geregnet. Die Pfeile zeigten mir immer die Richtung. Fast immer, zweimal übersah ich die Markierung und machte zusätzliche 13 km. Doch bei Insgesamt 726 km war das auch egal.

 

Angekommen

Am 5.Oktober kam ich in Santiago an, es war wieder so ein unbeschreibliches Gefühl. 23 Tage war ich nur mit dem Notwendigsten unterwegs, alles in einem Rucksack verpackt. Plötzlich waren so viele Dinge unwichtig, jeden Tag erlebte ich so intensiv, kein Luxus, kein Schnickschnack. Hatte fast gar nichts und war trotzdem so glücklich. Ich freute mich über jeden Sonnenaufgang und genoss den Augenblick. Ich liebe dieses Leben. Zum Abschluss besuchte ich die Pilgermesse in der Kathedrale und sah dieses mal auch den Weihkessel durch die Kirche schweben. Einfach gigantisch.

 

hart aber schön

Der große Unterschied zum Camino Frances war sicher die Einsamkeit, die weiteren Etappen und wesentlich weniger Herbergen. Auch gab es fast keine Klöster und kaum Brunnen auf dem Weg. Die Strecke war sicher um einiges härter, doch das „Feeling“ war das Selbe. Der Jakobsweg hat einfach eine ganz besondere Ausstrahlung.