Camino de Santiago

890 km zu Fuß in 30 Tagen. Ohne jemals ein Auto, Taxi, Zug oder ähnliches benutzt zu haben. Und das alles quer durch Nordspanien, von Frankreich über die Pyrenäen bis nach Santiago und weiter nach Finesterre. Das war mein Jakobsweg.

Als ich das erste mal von diesem Weg gehört habe, war es für mich unvorstellbar, dass man so was überhaupt schaffen kann. Vor allem welche Leute machen so was, aus welchem Grund pilgern sie quer durch Nordspanien? Umso mehr ich über diesen Weg las, desto faszinierender und neugieriger wurde ich. Nach einigen Büchern beschloss ich kurzerhand, diesen Weg zu gehen. Für die Vorbereitung brauchte ich knapp 2 Wochen. Im Internet informierte ich mich über die Ausrüstung, Herbergen und sonst noch alles wichtige. Dann ging es los.

 

Ab in den Süden bzw Westen

Ich beschloss mit dem Zug nach Frankreich zu fahren. 27 Stunden später war ich in meinem Ausgangsort angekommen. In St.Jean Pied de Port suchte ich mir meine erste Herberge. Dort traf ich gleich ein deutsches Mädl, mit der ich mich gleich anfreundete. Denn ein wenig unsicher war ich schon. Ich konnte ja kein Wort spanisch, und auch sonst beschäftigten mich einige Fragen. Werde ich mich oft verlaufen? Wie viele km schaffe ich am Tag? Wie sind die Herbergen, das Essen, der Weg überhaupt? Und deshalb war ich froh gleich jemanden kennen zu lernen, denn sie war genauso unsicher.

Am nächsten Tag ging es richtig los. Gleich mal 1300 Höhenmeterunterschied über die Pyrenäen und ca 27 km am ersten Tag. Außer zwei Blasen an den Füßen überstand ich den ersten Tag sehr gut. Es sollten übrigens die letzten Blasen gewesen sein. Auch der Weg war sehr gut gekennzeichnet. Die Landschaft selber war unseren Almen sehr ähnlich.

Das Wetter war in der ersten Woche extrem heiß, obwohl es erst Ende April war. In den nächsten Tagen gewöhnte ich mich sehr schnell an den neuen Tagesablauf. In der Früh stand ich meistens zwischen 6 und 6.30 Uhr auf, den Rucksack zusammenpacken, und dann ging es noch vor Sonnenaufgang los. Da es in den meisten Herbergen kein Frühstück gab und auch in den vielen Dörfern es keine Bar (das sind kleine Kaffeehäuser, wo man auch kleine Imbisse bekommt) gab, ging ich in der Früh oft bis zu 2 Stunden um endlich ein Frühstück in einer Bar zu bekommen. Worauf ich ebenfalls acht geben musste, in welchem Dorf gab es ein Geschäft, wo ich Lebensmittel einkaufen konnte? Vor allem wie viele km sind es bis dahin? Doch ich hab sehr schnell gelernt und deshalb fast nie ein Problem damit gehabt. Anfangs hab ich zwar zuviel eingekauft, doch ich hab jedes Gramm im Rucksack gespürt.  Ich hab auch das Gewicht im Rucksack reduziert. Alles was ich entbehren konnte, lies ich in den Herbergen zurück. Man braucht kein 3.T-Shirt, kein Sonnenbrillenetui, kein riesengroßes Handtuch (das hab ich einfach auseinander geschnitten), und auch sonst noch ein paar Kleinigkeiten. Doch irgendwann gewöhnt man sich an den schweren Rucksack, und du spürst ihn kaum noch.

 

Das Wesentliche schätzen lernen

Was brauchte ich eigentlich alles für so eine Reise, denn ich musste ja alles selber tragen. - 2 T-Shirts, 2 paar Socken, 2 Unterhosen, Schlafsack, gute Wanderschuhe, Fleece-Jacke, Regenjacke, Regenhose, Wanderhose , Medikamente, Hygieneartikel, kleine Tube Waschmittel, Fotoapparat, Wasserflasche (ganz wichtig), Kopfbedeckung. Das sind die wichtigsten Dinge die ich benötigte. Fast hätte ich es vergessen, das wichtigste überhaupt ist der Wille es zu schaffen. Die Sonnenbrille hätte ich mir ersparen können, da ich ja immer Richtung Westen gegangen bin, und die Sonne immer im Rücken hatte.

Meistens kam ich am frühen Nachmittag bereits in der Herberge an. Die Herbergen bzw. Refugios waren teilweise sehr einfach eingerichtet. Es gab Schlafräume von 4 bis 20 Betten und meistens gab es eine Küche. Manche Herbergen werden von Privatpersonen betreut, andere von der Gemeinde. Die Kosten für eine Nacht betragen zwischen €5,- und €8,-.oder eine freiwillige Spende. Manchmal hab ich auch in einem Kloster geschlafen. Dort gab es sogar einmal einen Schlafsaal mit über 120 Betten. Um in der Nacht einigermaßen zu schlafen sind Ohrstöpsel oder ein MP3 Player unumgänglich, denn die Schnarchgeräusche waren manchmal nicht mehr menschlich. Die Ohrstöpsel , die ich vorher gekauft habe waren ehrlich gesagt bei dieser Vielfalt von Schnarchgeräuschen völlig nutzlos. Am meisten freute ich mich in einer Herberge, wenn es warmes Wasser zum Duschen gab, und eine Waschgelegenheit für meine Wäsche. Denn das ist nicht selbstverständlich, aber doch wichtig, damit du nächsten Tag eine frische Wäsche hast, ich fühlte mich zumindest danach frischer. Obwohl ich das Gefühl hatte fürchterlich zu stinken, was solls. Man reduziert sein Leben in dieser Zeit auf das Wesentliche.

 

Alleine und doch nicht alleine

Das schönste am Jakobsweg sind die Bekanntschaften, die ich machte. Denn ich traf so viele Menschen aus allen möglichen Ländern. Und man kommt so leicht ins Gespräch, weil alle sich total öffnen . Die meiste Zeit bin ich aber alleine gegangen, weil ja jeder seine eigene Geschwindigkeit hat, und beim Gehen kann man über vieles nachdenken. Am Abend trifft man sowieso oft die gleichen Leute wieder und das ist eben schön. Die Landschaft selber verändert sich im Laufe des Weges gewaltig. Manchmal ging ich den ganzen Tag nur durch Felder, wo ich nur den Horizont und den Weg gesehen habe. Später wanderte ich auf Berge, durch Weingegenden, oder durch die mystischen Wälder in Galizien. Dort glaubst du wirklich, in diesem Wald sind Elfen und Kobolde zuhause. Im Durchschnitt bin ich jeden Tag ca 30 km gegangen, aber es hat auch Tage gegeben wo ich über 40 km geschafft habe. Manchmal mit Schmerzen, aber die können auch gut sein, denn ich hab wirklich jeden Zentimeter meines Körpers gespürt. Ich hab meine Grenzen kennen gelernt.

 

Endlich am Ziel

Am Schluss kommt man in Santiago an, dort gibt es eine Pilgerurkunde und eine Pilgermesse. Obwohl ich nicht wirklich religiös bin, war diese Messe einfach sehr bewegend. In Santiago hab ich viele Leute vom Weg wieder getroffen, wir haben uns umarmt und über unsere Erlebnisse erzählt. Wir waren alle sehr stolz auf uns, dass wir es geschafft haben. Es war bzw. ist noch immer ein schönes Gefühl am Ziel angekommen zu sein. Vor der Kathedrale haben mich sehr viele fremde Leute angesprochen und mir ihre Bewunderung ausgesprochen. Da wurde mir erst bewusst, was ich erreicht hatte. Nach 3 Tagen bin ich noch zum Cap Finesterre (90 km ) gegangen. Das ist das so genannte Ende der Welt. Ich hab in diesen 3 Tagen noch einmal die Ruhe genossen. Denn Santiago ist doch eine große und teils hektische Stadt. Danach flog ich wieder nach Hause.

 

Mein Resümee

Im nachhinein weiß ich, das mir dieser Weg sehr geholfen hat. Meistens gab es schöne und auch lustige Momente, aber auch die traurigen Geschichten werden mir in Erinnerung bleiben. Es gab immer wieder Leute, die einfach nicht mehr konnten, und aufgeben mussten, die tröstete ich, oder als ein Mann am Weg wegen Überanstrengung starb, den man 2 Stunden vorher beim Frühstück sah. Und dann liegt er mitten am Weg, der Kopf nur mit einem Tuch zugedeckt, und du gehst weiter. Das sind Bilder die man nicht so leicht vergisst. Auch das Wetter kann man nicht beeinflussen, ich ging bei heißem Sonnenschein, bei Regen und auch bei eisiger Kälte. Irgendwann ist dir das Wetter sowieso egal, es ist einfach so und nicht anders.

Irgendwann möchte ich diesen Weg nochmals gehen . Denn ich weiß, das nächste mal wird es wieder komplett anders sein. Und jeder erlebt diesen Weg auf seine eigene Art.

 

Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum

 

 

Finesterre, Ende der Welt
Finesterre, Ende der Welt